Fehlerhafte Autokredite: Wann ist ein Widerruf möglich?

Von Gitte H.

Letzte Aktualisierung am: 9. Oktober 2024

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Am 9. September 2021 hat der EuGH in einem Urteil über Autokredite entschieden, dass diese noch Jahre nach Vertragsabschluss widerrufen werden können, wenn die Widerrufsbelehrungen unzureichende Pflichtangaben enthalten.
→ Hier erfahren Sie die Details zum Urteil.

Sind Autokredite fehlerhaft, können Sie den Widerrufsjoker ausspielen.
Sind Autokredite fehlerhaft, können Sie den Widerrufsjoker ausspielen.

Schließen Sie eine Finanzierung für ein Auto ab, haben Sie üblicherweise 14 Tage Zeit, den Kreditvertrag ohne weitere Konsequenzen zu widerrufen. Danach besteht meist keine Möglichkeit, den Autokredit vor Ende der vereinbarten Laufzeit abzulösen, sofern Sie keine hohe Vorfälligkeitsentschädigung zahlen möchten.

Unter Umständen haben Sie aber vielleicht noch ein Ass im Ärmel – oder besser gesagt: einen Joker. Denn mit dem sogenannten Widerrufsjoker lassen sich Autokredite auch nach Ablauf der Frist noch widerrufen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es sich um fehlerhafte Autokredite handelt. Wir verraten Ihnen, wie Sie einen solchen fehlerhaften Darlehensvertrag erkennen und welche Möglichkeiten Sie in diesem Fall haben.

Kurz & knapp: Fehlerhafte Autokredite

Wann gilt ein Autokredit als fehlerhaft?

Fehlerhafte Autokredite zeichnen sich durch fehlende oder falsche Informationen aus, die die Widerrufsbelehrung ungültig werden lassen. Auch formale Fehler im Kreditvertrag können ein Widerrufsrecht begründen.

Woher weiß ich, ob mein Autokredit Fehler enthält?

Dafür braucht es ein Auge für juristische Feinheiten, weshalb Sie hier gut beraten sind, sich Unterstützung von einem Anwalt für Vertragsrecht zu holen. Dieser kann Ihren Darlehensvertrag genauestens überprüfen und Ihnen sagen, welche Erfolgsaussichten ein Widerruf Ihres Autokredits hätte.

Was passiert, wenn der Widerruf meines Autokredits Erfolg hat?

Hat der Widerrufsjoker Erfolg, geht das Auto an die Bank und Sie erhalten die bereits getätigten Tilgungsraten zurück. Haben Sie eine Anzahlung geleistet, wird auch diese rückabgewickelt. Unter Umständen müssen Sie der Bank den Wertersatz für das Auto zahlen, dies ist jedoch rechtlich umstritten.

Fehlerhafte Autokredite begründen den Widerruf

Ihr Autokredit ist fehlerhaft? Spielen Sie den Widerrufsjoker aus.
Ihr Autokredit ist fehlerhaft? Spielen Sie den Widerrufsjoker aus.

Wenn Sie vorzeitig aus Ihrem Autokreditvertrag heraus wollen, haben Sie in der Regel zwei Möglichkeiten: die Ablösung oder den Widerruf. Die Ablösung ist oft mit hohen Kosten verbunden, da die Bank von Ihnen eine Vorfälligkeitsentschädigung als Ausgleich für die verlorenen Zinsen fordert. Günstiger kommen Sie deshalb mit einem Widerruf davon, allerdings nur wenn dieser auch erfolgreich ist.

Genau hier hat die Sache einen Haken: Lediglich fehlerhafte Autokredite lassen sich nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist noch widerrufen. Ist Ihr Kreditvertrag rechtlich einwandfrei, können Sie den Widerrufsjoker nicht anwenden und sollten das auch nicht versuchen, da Sie bei einem Misserfolg vor Gericht womöglich auf hohen Verfahrenskosten sitzen bleiben.

Allerdings kommt es gar nicht so selten vor, dass Autokredite fehlerhaft sind, weshalb Sie vielleicht größere Erfolgschancen haben, als Sie zunächst glauben. Vor allem Fehler in der Widerrufsbelehrung tauchen immer wieder auf. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn aus dem Vertrag nicht ersichtlich ist, ab welchem Zeitpunkt die Widerrufsfrist zu laufen beginnt.

Um fehlerhafte Autokredite zu erkennen, ist in der Regel juristisches Fachwissen vonnöten. Haben Sie Zweifel daran, dass Ihr Kreditvertrag rechtlich einwandfrei ist, sollten Sie sich deshalb an einen Anwalt für Vertragsrecht wenden, der Ihren Fall eingehend überprüft. Er kann Sie zudem hinsichtlich des weiteren Vorgehens beraten und Sie gerichtlich vertreten, falls Sie vorhaben, Ihr Widerrufsrecht einzuklagen.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung beim Autokredit: Urteile zum Widerruf

Ob ein Autokredit fehlerhaft ist bzw. ob die Fehler im Vertrag einen Widerruf begründen, gerät oft zur Streitfrage. Dann obliegt es einem Gericht zu entscheiden, ob die Bank das Darlehen rückabwickeln muss oder nicht und wie dies jeweils zu geschehen hat.

Ob ein Autokredit wirklich fehlerhaft ist, muss oft vor Gericht geklärt werden.
Ob ein Autokredit wirklich fehlerhaft ist, muss oft vor Gericht geklärt werden.

Dies kann mal zugunsten der Verbraucher und mal zugunsten der Kreditgeber ausgehen, wie verschiedene Urteile zeigen:

  • Das Landsgericht Arnsberg sprach einem Autokäufer am 17.11.2017 ein Widerrufsrecht bei seinem Autokredit zu, obwohl der Vertrag bereits vor über einem Jahr abgeschlossen worden war. Das Urteil wurde u. a. damit begründet, dass der Kreditvertrag den Verbraucher nicht hinreichend über sein Kündigungsrecht aufgeklärt hatte, obwohl derartige Angaben gesetzlich vorgeschrieben sind. (LG Arnsberg, 17.11.2017 – I-2 O 45/17)
  • Am 07.08.2018 bestätigte das Landsgericht Ravensburg nicht nur das Widerrufsrecht eines Kreditnehmers, sondern entschied zudem, dass dieser keinen Wertersatz für das Fahrzeug zahlen muss. (LG Ravensburg, 07.08.2018, – 2 O 259/17)
  • Ein verbraucherunfreundliches Urteil fällte hingegen der Bundesgerichtshof am 05.11.2019 und erklärte eine vermeintlich fehlerhafte Widerrufsbelehrung für ordnungsgemäß. (BGH, 05.11.2019 – XI ZR 650/18)

Von großer Tragweite für fehlerhafte Autokredite (und andere Darlehensverträge) ist das Urteil des Europäischen Gerichtshof von März 2020: Dieser entschied nämlich, dass sogenannte Kaskadenverweise in der Widerrufsbelehrung unzulässig sind (EuGH, 26.03.2020, C‑66/19). Da ein Großteil der Kreditverträge, die seit dem 11.06.2010 in Deutschland abgeschlossen wurden, eben einen solchen Kaskadenverweis enthält, können diese somit nach Auffassung des EuGH nach wie vor widerrufen werden.

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Über den Autor

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Gitte H.

Gitte hat ihren Master-Abschluss in Germanistik sowie einen Bachelor-Abschluss in Kommunikationswissenschaften absolviert. In diesem Zusammenhang recherchierte sie zu juristischen und politischen Texten. Auch im Finanzrecht ist sie sehr bewandert. Seit 2017 ist sie Teil unseres Redaktionsteams.

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