Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung: BGH, Oberlandesgerichte und Landesgerichte

Von Bernd V.

Letzte Aktualisierung am: 23. August 2024

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Hausverkauf: Was sagt der BGH?
Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Hausverkauf: Was sagt der BGH?

In der Vergangenheit haben sich zahlreiche Gerichte mit Streitigkeiten rund um die Vorfälligkeitsentschädigung befasst. Mittlerweile gibt es dazu bereits diverse Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) und des Europäischen Gerichtshofes (EuGH).

Wie hoch darf die Entschädigung an die Bank sein? Wann muss eine Bank einen Widerruf akzeptieren? In diesem Ratgeber finden Sie die wichtigsten Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung und zum Widerruf.

Kurz & knapp: Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung für Schnellleser

Warum müssen sich die Gerichte mit der Vorfälligkeitsentschädigung beschäftigen?

Ursache dafür sind vor allem die fehlerhaften Widerrufsbelehrungen, die zu einem ewigen Widerrufsrecht führen können. Banken und Verbraucher sind sich bei diesen Themen häufig nicht einig, wenn die Belehrung nun als fehlerhaft gilt, weshalb im Streitfall oft Gerichte mit der Klärung beauftragt werden.

Wie urteilten die Gerichte zur Widerrufsbelehrung?

Eine Übersicht mit wichtigen Urteilen zur fehlerhaften Widerrufsbelehrung finden Sie hier.

Enthält mein Kreditvertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung?

Bei den Formulierungen in den Verträgen kommt es mitunter auf Feinheiten an, weshalb pauschale Aussagen nur schwer möglich sind. Wenden Sie sich daher für eine individuelle Prüfung an einen fachkundigen Anwalt.

Urteile rund um die Vorfälligkeitsentschädigung

Der BGH hat bereits mehrere Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung gefällt.
Der BGH hat bereits mehrere Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung gefällt.

Ob Sondertilgungsrechte bei Darlehen oder vorzeitige Kündigung: Im Folgenden finden Sie eine Auflistung der wichtigsten Urteile und Änderungen der Finanzwelt. Diese drehen sich rund um die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und den Widerruf von Kredit- und Darlehensverträgen.

Grundsatzurteile des BGH 1997

Zwei Grundsatzurteile zur Vorfälligkeitsentschädigung hat der BGH bereits am 01.07.1997 gefällt. In diesen Entscheidungen (Az.: XI ZR 267/96 und Az.: XI ZR 197/96) hat der BGH klargestellt, dass jeder ein Recht auf eine vorzeitige Darlehensablösung hat, der

  • seine Immobilie verkauft, wobei der Verkauf abhängig von der Kreditablösung und der damit verbundenen Grundschuld ist, oder
  • von einer anderen Bank einen höheren Kredit zur Immobilienfinanzierung bekommt, wenn ihm sein bisheriger Geldgeber diesen nicht gewährt.

Die vorzeitige Darlehensablösung ist dabei mit der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verbunden. Seither gab es zahlreiche weitere Urteile, die sich u. a. mit der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung oder mit den Widerrufsbelehrungen in Kreditverträgen befassten.

Insbesondere von dem Fiasko rund um die fehlerhaften Widerrufsbelehrungen der Banken blieben diverse Gerichte nicht verschont. Mehr als eine Bank zeigte sich in Sachen Widerruf nicht sonderlich kooperativ und versuchte auf verschiedenen Wegen, ihre Verluste zu minimieren.

Pochten Verbraucher gegenüber ihrer Bank auf ihr Recht, landeten die Widerrufsfälle meist vor Gericht. Im Laufe des letzten Jahrzehnts sind Urteile zur Widerrufsbelehrung in allen Instanzen gefallen. Vor Landesgerichten bis hin zum BGH wurde die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag verschiedener Banken geprüft.

Urteile rund um die Widerrufsbelehrung

Wieso ist ein BGH-Urteil zur Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag so relevant?

Stützen Sie Ihren Widerruf durch ein Urteil.
Stützen Sie Ihren Widerruf durch ein Urteil.

Der Bundesgerichtshof ist die höchste Gerichtsinstanz Deutschlands im Straf- und Zivilrecht. Das bedeutet, dass alle Fälle, die von Landes- und Oberlandesgerichten nicht abschließend geklärt worden sind, vor dem BGH landen. Die Vorfälligkeitsentschädigung sowie der Widerruf von Krediten und Darlehen wurden mehrfach vor dem BGH verhandelt.

Ein Urteil des BGH ist von großer Bedeutung: Entscheidet der Gerichtshof in einem spezifischen Fall beispielsweise zugunsten der Verbraucher, können sich die Anwälte der folgenden Fälle auf dieses Urteil beziehen. Auch wenn das erstinstanzliche Gericht gegenteilig entscheidet, ermutigt ein BGH-Urteil zur Revision.

Daher müssen die Bundesrichter stets genau abwägen, welche Entscheidung sie fällen. Ein Urteil zur Vorfälligkeitsentschädigung kann weitreichende Folgen für alle zukünftigen Gerichtsverhandlungen mit sich bringen. Daher sollten sich Verbraucher und deren Anwälte genau informieren, welche Entscheidungen bereits von der obersten Instanz getroffen wurden.

EuGH- und BGH-Urteile zur Formulierung mit Kaskadenverweis

  • Formulierung mit Kaskadenverweis ist erlaubt: BGH, Az.: XI ZR 434/15 (Entscheidung vom 22.11.2016)
  • Widerrufsbelehrungen müssen klar und prägnant formuliert sein; Kaskadenverweise sind unzulässig: EuGH, Az.: C-66/19 (Entscheidung vom 26.03.2020)
  • Kaskadenverweise in Widerrufsbelehrung sind zulässig, wenn Musterbelehrungen vom Gesetzgeber übernommen wurden: BGH, Az.: XI ZR 198/19 (Entscheidung vom 31.03.2020)

In den Entscheidungen des EuGH und des BGH zeigt sich, dass beide Gerichte deutlich unterschiedlicher Auffassungen sind. Es ist daher nicht klar, wie Gerichte unterer Instanzen in solchen Fällen entscheiden würden.

Was ist ein Kaskadenverweis?

Zur Formulierung mit Kaskadenverweis gab es bereits Urteile von BGH und EuGH
Zur Formulierung mit Kaskadenverweis gab es bereits Urteile von BGH und EuGH.

Von einem Kaskadenverweis spricht man, wenn z. B. in der Widerrufsbelehrung auf ein Gesetz verwiesen wird und in diesem Gesetz dann wiederum auf ein anderes Gesetz.

Beispiel:

Der Darlehensnehmer* kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. 

Anlage 7 zu Artikel 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 – Muster für eine Widerrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (Fundstelle: BGBl. I Nr. 16 vom 16.03.2016, S. 430 – 432)

In diesem Teil der Widerrufsbelehrung wird auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen. In diesem Paragraphen steht dann wiederum:

Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche enthalten.

§ 492 Abs. 2 BGB

§ 492 BGB Abs. 2 verweist also nochmal auf ein anderes Gesetz, nämlich Artikel 242 §§ 6 bis 13 und erst hier erfahren Verbraucher welche Angaben im Verbraucherdarlehensvertrag stehen müssen.

Der Verweis in der Widerrufsbelehrung auf § 492 Abs. 2 BGB, der seinerseits auf Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche verweist, ist somit ein Kaskadenverweis.

Urteile über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

  • Bank darf die Aktiv-Passiv-Methode anwenden: BGH, Az.: XI ZR 27/00 (Entscheidung vom 07.11.2000)
  • Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung darf nicht anhand des PEX-Index erfolgen, sondern anhand tatsächlich gehandelter Pfandbriefe: BGH, Az.: XI ZR 285/03 (Entscheidung vom 30.11.2004)
  • Sondertilgungsoptionen müssen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigt werden und schmälern die Höhe der Entschädigungssumme: BGH, Az.: XI ZR 388/14 (Entscheidung vom 19.01.2016)
  • Bei vorzeitiger Rückzahlung ohne Kündigung eines Darlehen müssen die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung „klar und verständlich sein„: OLG Frankfurt Az.: 17 U 810/19 (Entscheidung vom 01.07.2020) – bestätigt durch BGH, Az.: XI ZR 320/20 (Entscheidung vom 28. Juni 2021)
  • Einem Kreditvertrag muss zu entnehmen sein, welche Berechnungsmethode bei der Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung angewendet wird: EuGH Az.: C-33/20, C-155/20 und C-187/20 (Entscheidung vom 09.09.2021)

Bedeutendes Urteil des EuGH zum Widerruf von Kreditverträgen

Entscheidung zur Widerruf: Vom Urteil des EuGH können viele Kreditnehmer profitieren.
Entscheidung zur Widerruf: Vom Urteil des EuGH können viele Kreditnehmer profitieren.

Am 9. September 2021 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH), das höchste Gericht der EU, ein bedeutendes Urteil zum Widerruf von Kreditverträgen gefällt (Az.: C-33/20, C-155/20 und C-187/20). Dieses stärkt die Verbraucherrechte in großem Umfang. Ausgangspunkt waren mehrere Verfahren vor dem Landgericht Ravensburg. Kreditnehmer hatten Autokreditverträge von mehreren Autobanken widerrufen, obwohl die Widerrufsfrist schon lange abgelaufen war.

Die Kreditnehmer führten an, dass ein Widerruf weiterhin möglich sei, da den Kreditverträgen einige wichtige Informationen nicht klar und deutlich zu entnehmen seien. Die Banken wehrten sich dagegen. Bislang stärkte der BGH in solchen Fällen den Kreditgebern den Rücken. Die angegebenen Vertragsinformationen wurden meist als ausreichend beurteilt.

Doch der EuGH gab nun den Kreditnehmern recht. Laut Urteil des Gerichts muss ein Kreditvertrag zwingend die folgenden Angaben enthalten:

  • Verzugszinssatz: Hier reicht es nicht aus, nur grobe Angaben zu machen. Vielmehr muss die Bank den genauen Zinssatz angeben, der anfällt, wenn die Raten nicht pünktlich gezahlt werden.
  • Vorfälligkeitsentschädigung: Auch hier genügt es nicht, vage Hinweise auf die Berechnung zu geben. Den Vertragsanlagen muss genau zu entnehmen sein, welche Berechnungsmethode angewendet wird.

Was bedeutet das nun für Verbraucher? Fehlen die oben genannten Pflichtangaben oder sind sie unvollständig bzw. unverständlich, so ist auch dann ein Widerruf des Kreditvertrags möglich, wenn die zweiwöchige Widerrufsfrist bereits abgelaufen ist. Das kann sich unter anderem vor allem dann lohnen, wenn Sie anstelle des alten Kredit einen neuen aufnehmen, für den Sie weniger Zinsen zahlen müssen.

Beachten Sie: Das von EuGH gefällte Urteil gilt für die meisten Darlehensverträge. Ausgenommen sind jedoch Kredite mit Grundpfandrecht. Dabei handelt es sich in der Regel um Immobilienkredite.

Streitfall Vorfälligkeitsentschädigung: Das Urteil kann von dem jeweiligen Gericht abhängen

Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung hängen meist vom jeweiligen Gericht ab.
Urteile zur Vorfälligkeitsentschädigung hängen meist vom jeweiligen Gericht ab.

Eine Übersicht der gefällten Urteile zum Thema des Widerrufs oder der Entschädigung bietet einen weiteren Vorteil: Manche Gerichte zeigen sich verbraucherfreundlicher als andere. Pfiffige Anwälte und ehemalige Kunden einer Bank erkundigen sich vorab über das entsprechende Gericht und passen ihre Argumentation entsprechend an.

Zudem gilt: Nicht nur der BGH zählt. Auch Urteile von Oberlandesgerichten haben Gewicht und untermauern die Beweisführung eines Anwalts. Bedenken Sie jedoch: Ihre Bank wird ähnlich vorgehen.

Schwierig sind daher besonders jene Fälle, in welchen widersprüchliche Urteile gefällt wurden. Beispielsweise zu Vorfälligkeitsentschädigung fallen Urteile mitunter konträr aus.

Quellen und weiterführende Links

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Über den Autor

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Bernd V.

Bernd hat eine abgeschlossene Ausbildung als Einzelkaufmann und arbeitete mehrere Jahre im Elektrofachhandel. Anfang 2020 stieß er zum Team von vorfaelligkeitsentschaedigung.net und arbeitet seitdem für uns als Redakteur. Er schreibt vor allem übers Finanzrecht und gibt Ratschläge zu Darlehen und Kreditverträgen.

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