In den letzten Jahren gab es mehrere Urteile zum Widerrufsrecht bei Immobilienkrediten – sogar vom Bundesgerichtshof (BGH) und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH). Grund dafür ist, dass zwischen November 2002 und dem 11. Juni 2010 fehlerhafte Widerrufsbelehrungen für die Verträge von den Banken und Sparkassen ausgegeben wurden. Wer daher einen Widerruf für seinen Immobilienkredit einlegen möchte, hat gute Chancen, um eine Vorfälligkeitsentschädigung herum zu kommen. Hier lesen Sie, was Sie dabei beachten sollten.
Kurz & knapp: Informationen zum Widerruf beim Immobiliendarlehen für Schnellleser
Haben Kredit– und Darlehensnehmer eine fehlerbehaftete Widerrufsbelehrung erhalten, so können sie ihr Widerrufsrecht für Immobilienkredite in Anspruch nehmen und somit der Vorfälligkeitsentschädigung entgehen sowie das Kapital von der Bank zurückerhalten, welches diese aufgrund der Zinsen erwirtschaftet hat.
Ob bei Ihrem Immobiliendarlehen die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, sollten Sie von einem Rechtsanwalt oder der Verbraucherzentrale überprüfen lassen.
Vor Einreichen des Widerrufs sollte die Restschuld ermittelt werden, um im nächsten Schritt zu schauen, wie diese in einer Anschlussfinanzierung bei der alten Bank getilgt werden kann. Möglich ist hier eine Umschuldung – also die Aufnahme eines Kredits bei einer neuen Bank, jedoch mit aktuellen niedrigeren Zinsen. Damit sparen Kunden viel Geld.
Der Widerruf für das Immobiliendarlehen sollte erst eingereicht werden, wenn der Darlehensnehmer sich seiner Anschlussfinanzierung sicher sein kann. Dafür kann er sich eine Finanzierungszusage der neuen Bank einholen, die möglichst vier bis sechs Wochen gültig sein sollte. Für die Begleichung der Restschuld bei der alten Bank bleibt dem Betroffenen nämlich nur eine Frist von 30 Tagen
Inhalt
Weiterführende Artikel über den Widerruf beim Immobiliendarlehen
Warum einen Widerruf beim Immobiliendarlehen einlegen?
Diese Frage lässt sich leicht beantworten, denn für einen Widerruf von Verträgen für Immobilienkredite gibt es im Groben drei Möglichkeiten:
- Der Darlehensnehmer legt einen Widerruf für sein Immobiliendarlehen ein, weil er bei einer Umschuldung seines Darlehens bei einer anderen Bank einen viel günstigeren Zinssatz erhalten würde und so sparen kann.
- Der Darlehensnehmer möchte sich von seinem Vertrag lösen und Widerruf einlegen, weil er etwa durch ein Erbe die Restschuld auf einen Schlag tilgen kann oder aber er hat die Immobilie verkauft und ist so an ein paar Euro gelangt und möchte nun seinen Darlehensvertrag vorzeitig kündigen.
- Auch nach Ablauf des Kredit- oder Darlehensvertrages und sogar bei bereits gezahlter Vorfälligkeit können Verbraucher noch einen Widerruf für ihr Immobiliendarlehen einlegen. Rechtsanwälte haben hier die Erfahrung gemacht, dass dies noch drei bis fünf Jahre nach Beendigung des Vertrages möglich ist. Nach etwa sieben Jahren gibt es jedoch kaum mehr eine Chance darauf.
Übrigens wird der Bank laut Gesetz nur eine Zinsbindung von zehn Jahren gewährt; das heißt, dass danach eine Kündigung des Vertrages auch ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung möglich ist.
Oft zeigen die Banken Widerstand und lassen die Kunden nicht aus dem Kreditvertrag heraus, so ist es sinnvoll einen Anwalt einzuschalten. Hier kommt es häufig zu einer Gerichtsverhandlung. Stellt sich jedoch heraus, dass sich die Bank im Unrecht befand, so muss sie auch die Anwaltskosten übernehmen.
Der EuGH hat einen neuen Widerrufsjoker vergeben – Er liegt nun in Ihrer Hand
Das Bundesjustizministerium hat ein Musterprotokoll für Widerrufbelehrungen zur Verfügung gestellt. Insbesondere in der Zeit zwischen 2002 und 2010 allerdings haben Banken eigene Formulierungen dafür verwendet, die zu Unklarheiten und Unverständnis bei den Verbrauchern führten. Die Gerichte haben daher 80 Prozent der damaligen Widerrufsbelehrungen als unwirksam erklärt.
Das kommt den Schuldnern nun zugute, denn sie können dadurch den sogenannten Widerrufsjoker ausspielen und mithilfe eines Anwalts die Vorfälligkeitsentschädigung einsparen, diese, falls sie schon gezahlt wurde, zurückerhalten und sogar das von der Bank durch die Zinsen erwirtschaftete Geld von der Bank ausgezahlt bekommen. Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen etwa in Immobiliendarlehensverträgen machen das möglich.
Das bedeutet, dass bereits kleine Abänderungen der Banken am Muster zum Entfallen des Musterschutzes führen. Beispiele hierfür sind die Abänderung der ursprünglichen, durch das Bundesjustizministerium festgelegten Gliederung der Widerrufsbelehrung oder etwa die Formulierung „Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht, bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist.“. Mit dieser Formulierung können Kunden nicht ermitteln, wann genau die Frist zu laufen beginnt, da sie nicht erfahren, wann der unterschriebene Darlehensvertrag bei der Bank eingeht.
Laut § 355 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), haben Verbraucher eine Widerrufsfrist von 14 Tagen. Doch nicht in diesem Fall. Denn bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung und Abweichen des Musters zücken Anwälte den Widerrufsjoker, denn durch die oben genannten Umstände hat ein Kredit- oder Darlehensnehmer ein ewig anhaltendes Widerrufsrecht.
Der Europäische Gerichtshof hat am 26. März 2020 faktisch einen neuen Widerrufsjoker vergeben (Az.: C-66/19). Die Richter urteilten, dass ein Kreditnehmer umfassend und in klarer Ausdrucksweise über sein Recht zum Widerruf aufgeklärt werden muss. Er muss erkennen können, wann die Widerrufsfrist genau beginnt. Ist das nicht der Fall, können entsprechende Verträge ungültig werden. Sogenannte „Kaskadenverweise“ kommen dieser Verpflichtung der Aufklärung nicht nach. Der Verbraucher könne, nach Ansicht des Gerichts, durch Vorschriften, die auf weitere Vorschriften verweisen, nicht eindeutig erkennen, wann seine Widerrufsfrist nun beginnt. Wer etwaige Ansprüche prüfen will, kann sich an einen Anwalt wenden, der sich bestenfalls bereits mit Widersprüchen befasst hat.
Zwar wurde am 21. März 2016 das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (RefE) erlassen, das dem endlosen Widerrufsjoker eigentlich ein Ende bereiten sollte (es wurde eine Karenzzeit bis Juni 2016 gewährt, bis zu der noch widerrufen werden durfte). Jedoch sorgt das neue Urteil des EuGH möglicherweise dafür, dass Sie trotz des Gesetzes noch lange Widerruf gegen Ihr Immobiliendarlehen einlegen können. Konsultieren Sie dafür bestenfalls einen Anwalt oder die Verbraucherzentrale.